Jump to content

capoeira

Members
  • Gesamte Inhalte

    1
  • Benutzer seit

  • Letzter Besuch

capoeira's Achievements

  1. Verfasser: Stabsunteroffizier capoeira von den SEAHAWKS.rel Das erste Biwak So da bin ich nun. Ich schaue noch kurz wie spät es ist und lege mich dann ins Bett, es ist 22 Uhr. Morgen ist der 29. Juli 2005. Mein Name ist Jon. Die Anderen nennen mich Jonny. Ich bin Stuffz (FA), der einzige in meinem Zug und befinde mich seit einigen Tagen im Kampfhubschrauberregiment 36 bei Fritzlar in der allgemeinen Grundausbildung, die ersten 3 Monate meiner Laufbahn. Bis jetzt war es oft anstrengend. „Sie wollen noch was werden“, wird mir hier oft an den Kopf geknallt. Keiner meiner Ausbilder redet mich mit Stabsunteroffizier an. „Das müssen Sie sich erst verdienen“, sagte mein Oberfeldwebel. Du kannst mich mal, dachte ich mir vor Wut. Wenn man so wie ich mit einem höheren Dienstgrad eingestellt wird, hat man es nicht leicht. Neckermannstuffz oder Nichtskönner wird man häufig genannt. Quasi im Katalog bestellt. Das wurde mir am Zentrum für Nachwuchsgewinnung natürlich nicht erzählt, als ich meine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe. Aber egal, morgen wird es ernst. Das erste Biwak von Freitag bis Sonntag steht vor der Tür. Einige nennen es Bundeswehr im Wald außer Kontrolle, lol. Heute mussten wir den Rucksack Stan-mäßig packen. So nennen die das hier wenn du deinen gesamten verf* Spint in den Rucksack quetschen musst. „Aber das passt doch gar nicht“, sagte ich zu meinem OFw. „Und ob das passt“, antwortete er. „Sehen Sie gefälligst zu, das Sie ihre dünnen Drähte die Sie Arme nennen mal für etwas anderes benutzen als zum Arschabwischen, dann funktioniert das auch“. „Irgendwann bringe ich ihn um“, dachte ich mir. Als das Packen dann erledigt war und alle bettfertig waren rief der Ofw: „Zapfenstreich“. „Das werde ich hier bestimmt noch öfter hören“, dachte ich mir. Am nächsten Morgen wurden wir durch Musik geweckt. Falls einer von euch jetzt denkt das das doch gar nicht so schlecht ist, der irrt sich gewaltig. Einer der Gruppenführer hatte über Nacht wohl ein wenig Langeweile vor allen Stuben Lautsprecher aufgestellt. Das Lied your in the army now erklang laut stark und warf uns regelrecht aus den Betten. „So fängt der Tag doch super an“, sagte einer meiner Stubenkameraden. Danach mussten wir uns mit der am Tag zuvor gepackte Ausrüstung in einen Raum sammeln. Alles wurde noch einmal kontrolliert. „Wehe einer von Ihnen hat irgendwo Zigaretten oder Schokolade versteckt“, sagte der Zugführer. Als das erledigt war ging es endlich los. Wir marschierten durch die Kaserne in Richtung Ausgang. Als wir an der Wachmannschaft vorbeiliefen sagte so ein Typ, der eine komische graue Schnur über der Schulter trug, „viel Spaß bei dem was noch alles kommt“. Ich sollte noch verstehen warum er so dreckig dabei gegrinst hat. Nach gefühlten 50 km, dabei waren es nur knapp 12, kamen wir endlich im Wald an. „So dann holen sie mal ihre Zeltbahnen aus ihrem Rucksack, schnappen sich ihren Klappspaten und dann geht’s los“, sagte der OFw. Der Platz der Gruppe wurde nun von uns errichtet. Als die Zelte standen und die sogenannten Abflussrinnen um die Zelte ausgehoben waren, wurde so ein komisches Band an uns ausgegeben. „Das leuchtet im Dunkeln und wird für sie noch sehr nützlich sein“, sagte einer der Gruppenführer. Als es dunkel wurde sah ich dann auch warum. Inzwischen hatten wir die Alarmstellungen ausgehoben und die Leuchtbänder zeigten uns den Weg dorthin. In der ersten Nacht war es noch relativ ruhig. Es gab nur 2-mal Alarm. Dabei mussten wir so schnell wie möglich vom Platz der Gruppe in die Stellungen rennen und gucken was passiert war. Beide Male war es aber ein Fehlalarm. Wir gingen wieder zu unseren Zelten zurück und ich versuchte zu schlafen. Das ging aber leider nicht. Mein Zeltkamerad schnarchte wie ein Sägewerk und vom ständigen Furzen rede ich erst gar nicht. Alles in Allem habe ich im gesamten Biwak ca 4 Stunden geschlafen. Das sollte mir später auch fast zum Verhängnis werden. In der zweiten Nacht habe ich die Fehlalarme dann aufgehört zu zählen. Die Frauen in unserer Gruppe, wobei einige davon wohl mehr Mann als Frau waren, haben als Alarmposten ständig Dinge gesehen die gar nicht vorhanden waren. Am dritten Tag wurde es dann langsam unangenehm. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben so richtig Hunger. Glaubt mir, das was man sonst so als Hunger denkt zu verspüren, das war keiner. Wir bekamen von unserem Gruppenführer einen großen Topf, etwas Gemüse und ein bisschen Fleisch. Ich hatte Glück das in meiner Gruppe ein gelernter Koch dabei war. Der hat das Ganze recht gut hingezaubert. Ich war so hungrig, das ich sogar das Fett vom Fleisch hinuntergeschluckt habe. Sonst musste ich davon immer fast . Der Hunger hatte es mir allerdings hineingetrieben. In solch einer Situation kannst du es dir nicht leisten wählerisch zu sein. Als der dritte und letzte Tag anfing durften wir noch einmal Frühsport machen. Ich war total übermüdet und bekam schon langsam Halluzinationen. Obwohl es Hochsommer war habe ich extrem gefroren. Ich denke mal das lag an der Müdigkeit und Erschöpfung. Wir mussten Gemeinschatftssitups machen und Joggen mit dem G36. Als das endlich geschafft war kam der Befehl zum Abrücken. „Endlich“, dachte ich mir. Wir haben es geschafft. Ich wurde allerdings schnell eines Besseren belehrt. Wir waren gerade dabei den Platz der Gruppe zurückzubauen, da kam der ABC-Alarm. Mehrere Rauchgranaten wurden gezündet und man konnte fast die Hand vor Augen nicht wieder erkennen. Alle zogen ihre Gasmasken an und der Marsch zurück zur Kaserne ging los. Es war 8 Uhr morgens und trotzdem schon um die 25°C. Ich durfte natürlich mal wieder das scheiß MG tragen. Ich wollte ja auch noch was werden. Nach einem Kilometer gab es Entwarnung. Die Gasmasken konnten wir wieder einpacken. Es ging weiter. Über Berge und durch Täler, durch Flüsse und Dörfer. Verdammt ist das ekelhaft wenn der Kampfstiefel von oben mit Wasser vollläuft. Dann der zweite ABC-Alarm und ich stand mit dem MG in der Hand da. Keiner hatte mir vorher gezeigt was ich machen muss wenn ABC-Alarm ertönt und ich das scheiß MG in der Hand halte. „Sie sind alle tot“, rief der OFw. „Na toll“, dachte ich. Mit Poncho ABC-Maske und MG durch den Harz marschieren. Nach einigen Kilometern gab es dann Entwarnung. „Endlich werde ich das MG los“, sagte ich zu einem meiner Kameraden. „Was haben sie denn mit ihrem MG vor“? Fragte mich der OFw. „Ich wollte es weitergeben“, antwortete ich. „Das können sie noch eine Weile tragen“, sagte er. Um genau zu sein durfte ich das Mist Ding letztendlich bis in die Kaserne vor unserem Block schleppen. Auf dem Weg dorthin wurde es immer schwerer, die Schmerzen immer schlimmer. Der Schweiß lief mir im Gesicht hinunter in die Augen. Es brannte, aber ich lief weiter. Plötzlich der Befehl der alles andere noch mal übertraf: „Den letzten Kilometer bis zum Block im Laufschritt“, schrie der OFw. Ich rannte und rannte, die letzten Kraftreserven noch einmal sammeln. Die Gedanken an den Schmerz ausschalten und einfach rennen. Mir liefen die Tränen aus den Augen. „Verdammt die letzten Meter schaffst du auch noch“, sagte ich mir und motivierte mich noch einmal auf den letzten Metern. Endlich, der Block war zu sehen. Die letzte Kurve und wir waren endlich angekommen. Ich stand in der Formation. Der Zugführer sagte: „ So Männer, sie haben es geschafft“. Als ich diese Worte hörte ließ ich alles fallen was ich bis dahin geschleppt hatte, erst das MG, dann das G36 und schließlich meinen Rucksack. Die anderen guckten mich entsetzt an, aber das war mir in dem Moment egal. Ich fing an zu wackeln, wie ein dünner Baum in einem Sturm. 2 Kameraden kamen von rechts und links und stützen mich sonst wäre ich umgekippt. Schließlich schossen mir noch mehr Tränen in die Augen. Ich wusste nicht ob ich vor Freude weine oder vor Schmerz. Mein Gruppenführer kam zu mir und sagte: „ Herr Stabsunteroffizier, das war eine respektable Leistung von ihnen. Ich habe versucht sie zu brechen und habe es nicht geschafft“. Danach schleppte ich mich in das Gebäude. Meine Ausrüstung wurde von meinen Kameraden in die Stube getragen. Schließlich mussten wir unsere Waffen reinigen. Beim Bund heißt es ja erst die Waffe und dann der Soldat. Dann passierte mir etwas, dass es vorher in meinem Leben noch nie gegeben hatte. Ich sprach während dem Reinigen mit einer Soldatin aus meinem Zug und habe es doch tatsächlich geschafft beim Reden einzuschlafen. Ich hatte meine Leistungsgrenze erreicht. Ich hätte niemals gedacht, dass mein Körper zu dieser Leistung fähig ist. Als das Reinigen dann erledigt war und Zapfenstreich gerufen wurde, war der Tag endlich vorbei. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so schnell eingeschlafen. So viel zu meiner Geschichte….
×
×
  • Neu erstellen...